Schulterschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden, mit denen Patienten in der Physiotherapie konfrontiert werden. Dabei ist das Schultergelenk eines der komplexesten und beweglichsten Gelenke unseres Körpers. Umso wichtiger ist es, als Physiotherapeut ein tiefgehendes Verständnis für die Anatomie, die verschiedenen Ursachen von Beschwerden und die passenden Behandlungsmethoden zu entwickeln. In diesem Artikel teile ich meine über 10-jährige Erfahrung aus der muskuloskelettalen Physiotherapie, ergänzt durch meine Abschlüsse in Manueller Therapie und Osteopathie, um Ihnen einen klaren, praxisnahen Rahmen zur Diagnostik und Behandlung von Schulterschmerzen an die Hand zu geben. Dieser Leitfaden ist besonders wertvoll für Physiotherapeuten in Bonn und Umgebung, die ihre Behandlungskompetenz im Bereich Schultergesundheit verbessern möchten.
Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk unseres Körpers und besteht nicht nur aus dem eigentlichen Schultergelenk, dem Glenohumeralgelenk, sondern auch aus der gesamten Schultergürtelstruktur. Diese umfasst die Scapula (Schulterblatt), das Schlüsselbein (Clavicula), die Brustwirbelsäule sowie die angrenzenden Muskeln und Nerven. Die enorme Beweglichkeit dieses Gelenks wird vor allem durch die muskuläre Stabilisierung gewährleistet, da die knöcherliche Führung vergleichsweise gering ist.
Ein wesentliches Verständnis für die Schulterrehabilitation ist die Erkenntnis, dass Einschränkungen oder Schmerzen im Schultergelenk häufig nicht isoliert zu betrachten sind. Vielmehr beeinflussen Beweglichkeit und Funktion des Schulterblatts, des Schlüsselbeins und der Brustwirbelsäule maßgeblich die Gesamtfunktion und Symptomatik.
Die Scapula ist das Fundament, auf dem das Schultergelenk ruht. Sie beeinflusst alle Bewegungen des Arms und hat eine enorme Bedeutung für die physiologische Funktion des Glenohumeralgelenks. Ist die Beweglichkeit des Schulterblatts eingeschränkt, so beeinflusst dies die Bewegung des gesamten Arms und kann Schmerzen oder Funktionsstörungen verursachen.
Das Schlüsselbein wird in der Diagnostik oft vernachlässigt, obwohl es eine wichtige Rolle spielt. Es führt Rotation aus, wenn der Arm gehoben wird, und bildet den Durchgang für den Plexus brachialis, ein wichtiges Nervengeflecht, das die Schulter und den Arm innerviert. Spannung oder Druck auf das Schlüsselbein – häufig bedingt durch muskuläre Verspannungen wie im Musculus pectoralis oder Subclavius – kann neurologische Symptome hervorrufen, die häufig fälschlicherweise anderen Ursachen zugeschrieben werden.
Die Brustwirbelsäule und die Rippen sind eng mit der Beweglichkeit des Schultergürtels verbunden. Bewegungen des Arms gehen stets mit einer gewissen Rotation oder Extension der Brustwirbelsäule einher. Einschränkungen in diesem Bereich können somit die Beweglichkeit der Scapula und folglich auch des Schultergelenks beeinträchtigen. Die Mobilisierung von Blockaden in der Brustwirbelsäule oder den Rippen kann oft zu einer sofortigen Verbesserung der Beweglichkeit führen.
Die Diagnose bei Schulterschmerzen ist aufgrund der Komplexität der Strukturen oft eine Herausforderung. Es existieren zahlreiche Tests und Untersuchungsmethoden, aber die Differenzierung der Symptome und die Zuordnung zu einer klaren Diagnose gelingt nicht immer einfach. Aus meiner Erfahrung als Physiotherapeut habe ich einen pragmatischen Rahmen entwickelt, der die Vielzahl der möglichen Schulterprobleme in drei Hauptkategorien unterteilt:
Diese drei Kategorien helfen Ihnen, die Symptome richtig zu interpretieren und die passende Therapie einzuleiten.
Patienten mit Schulterinstabilität haben häufig eine übermäßige Beweglichkeit oder eine Vorgeschichte von Luxationen oder Subluxationen der Schulter. Diese Patienten weisen oft weiche, nicht gut trainierte Muskulatur auf und berichten von einem Gefühl der "Unsicherheit" im Gelenk. Die Behandlung zielt hier nicht auf Mobilisierung, sondern auf Stabilisierung ab. Das bedeutet, dass Sie als Therapeut gezielt aktive Stabilitätsübungen verordnen sollten, um die muskuläre Kontrolle und damit die Gelenkstabilität zu verbessern.
Ein klassisches Beispiel für Bewegungseinschränkung ist das sogenannte Frozen Shoulder-Syndrom (Schultersteife). Hier liegt eine deutliche Reduktion der Beweglichkeit vor, ohne dass umliegende Strukturen wie Scapula oder Brustwirbelsäule stark eingeschränkt sind. Die Therapie besteht in diesem Fall vor allem aus manueller Mobilisation und gezielter Bewegungstherapie, um die Beweglichkeit wiederherzustellen und Schmerzen zu reduzieren.
Die häufigste und komplexeste Gruppe sind Patienten mit muskulären Ungleichgewichten, die oft unter einem Impingement-Syndrom leiden. Hierbei handelt es sich um eine Fehlsteuerung der Muskulatur, die zu einer schmerzhaften Einengung im Schulterbereich führt. Die Therapie konzentriert sich auf die gezielte Behandlung der beteiligten Muskeln, um das Gleichgewicht wiederherzustellen und die Funktion zu verbessern.
Besonders bei Patienten mit muskulären Dysbalancen ist es wichtig, die drei zentralen Muskelgruppen zu kennen und gezielt zu behandeln:
Der Levator scapulae ist ein häufig unterschätzter Muskel, der die Schulter hochzieht. Er wird vom Nervus accessorius innerviert, einem Hirnnerv, der bei Stress aktiviert wird und dazu führt, dass die Schultern dauerhaft hochgezogen bleiben. Dies blockiert die normale Abwärtsbewegung der Scapula beim Armheben und führt zu einem erhöhten Impingement-Risiko.
Die Rotatorenmanschette ist der zentrale Stabilisator des Schultergelenks. Sie sorgt für die feine Justierung und Stabilität während der Bewegung. Leider ist sie bei vielen Patienten durch Bewegungsmangel und Fehlbelastungen geschwächt.
Der Bizeps spielt oft eine kompensatorische Rolle, wenn die Rotatorenmanschette geschwächt ist. Er übernimmt Bewegungen, die eigentlich von der Rotatorenmanschette ausgeführt werden sollten, was zu Überlastung und Schmerzen führt. Eine gezielte Aktivierung der Rotatorenmanschette reduziert die Überaktivität des Bizeps und entlastet das Gelenk.
Um die zuvor beschriebenen Kategorien zu erkennen und zu unterscheiden, ist eine strukturierte Untersuchung unerlässlich. Ein einfacher, aber effektiver Test besteht darin, die aktive Bewegung des Patienten zu beobachten und gleichzeitig die Muskelreaktion zu überprüfen. Beispielsweise lässt sich durch Widerstandstests feststellen, ob die Rotatorenmanschette ausreichend Kraft entwickelt oder ob der Bizeps kompensiert.
Ein typisches Bild eines Patienten mit muskulärer Dysbalance ist eine gute Beweglichkeit, aber Schmerzen bei bestimmten Bewegungen, wie dem sogenannten „painful arc“ (schmerzhafter Bogen). Die Ursache liegt häufig in einer Entzündung durch Überlastung und Kompression unter dem Processus coracoideus der Scapula.
Die Behandlung umfasst:
Erfolgreiche Behandlung hängt nicht nur von der richtigen Diagnose und Technik ab, sondern auch von der Einbindung des Patienten in den Therapieprozess. Hier drei zentrale Prinzipien, die Sie als Therapeut stets beachten sollten:
Nur etwa 20 % der Therapiezeit bestehen aus Übungen, die der Patient selbst zu Hause durchführen muss. Doch diese 20 % sind für den langfristigen Erfolg entscheidend. Ohne die Mitarbeit des Patienten sind 80 % der Therapie wirkungslos. Daher ist es Ihre Aufgabe, die Übungen so zu vermitteln, dass der Patient die richtigen Muskelgruppen spürt und motiviert ist, diese konsequent durchzuführen.
Viele Therapeuten neigen dazu, umfangreiche Übungsprogramme zu verschreiben. Doch zu viele Übungen führen oft dazu, dass Patienten keine Zeit finden oder überfordert sind. Besser sind wenige, gezielte Übungen, die einfach zu merken sind und effektiv wirken. So steigt die Compliance und somit der Therapieerfolg.
Schmerz während der Übung ist nicht immer negativ, aber die Qualität des Schmerzes entscheidet, ob eine Übung sinnvoll ist. Wenn durch die Übung der Schmerz allmählich abnimmt, ist das ein gutes Zeichen. Steigt der Schmerz jedoch an, sollten Sie die Übung anpassen oder abbrechen. Das Feedback des Patienten ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie.
Eine einfache, aber sehr effektive Übung zur Mobilisation und Kräftigung des Schultergürtels ist die sogenannte Circumduction. Sie umfasst alle Bewegungen des Schultergelenks und aktiviert gleichzeitig die beteiligten Muskeln sowie die angrenzenden Strukturen der Hals- und Brustwirbelsäule.
So führen Sie die Übung aus:
Diese Übung kann bei allen drei Patientengruppen angewendet werden, wobei bei Bewegungseinschränkungen die Bewegungen an den Schmerzbereich angepasst werden sollten. Sie fördert die Mobilität und reduziert muskuläre Verspannungen.
Deutschland bietet Physiotherapeuten hervorragende berufliche Chancen, insbesondere im Bereich der muskuloskelettalen Therapie und Rehabilitation. Aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften besteht ein hoher Bedarf an Physiotherapeuten. Dies bedeutet für Sie als Therapeut nicht nur eine sichere Anstellung, sondern auch vielfältige Weiterbildungs- und Fördermöglichkeiten.
Die deutsche Regierung unterstützt ausländische Physiotherapeuten mit Sprachkursen, Qualifizierungsprogrammen und finanzieller Förderung für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Dies erleichtert den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erheblich und eröffnet Ihnen neue Karrierechancen in Deutschland und ganz Europa.
Die Behandlung von Schulterschmerzen erfordert ein umfassendes Verständnis der komplexen Anatomie und der vielfältigen Ursachen. Durch die Einteilung in die drei Hauptkategorien Instabilität, Bewegungseinschränkung und muskuläre Dysbalancen erhalten Sie einen klaren diagnostischen Rahmen, der die Therapieplanung erleichtert.
Die Kombination aus manueller Therapie, gezieltem Stabilitäts- und Muskeltraining sowie einer engen Einbindung des Patienten in den Therapieprozess ist der Schlüssel zum Erfolg. Mit einfachen, effektiven Übungen wie der Circumduction und der Berücksichtigung von Patientenfeedback können Sie nachhaltige Verbesserungen erzielen.
Für Physiotherapeuten in Bonn und Umgebung bietet dieser Leitfaden eine wertvolle Orientierung, um die Behandlung von Schulterschmerzen auf ein neues Niveau zu heben und die Lebensqualität Ihrer Patienten deutlich zu verbessern.
Typische Hinweise sind eine Vorgeschichte von Luxationen oder Subluxationen, ein Gefühl von „Wackeligkeit“ im Gelenk und eine übermäßige Beweglichkeit bei Tests. Die Muskeln sind oft schwach und der Patient vermeidet bestimmte Bewegungen aus Angst vor Schmerzen oder Ausrenken.
Manuelle Therapie eignet sich besonders bei Bewegungseinschränkungen wie dem Frozen Shoulder-Syndrom oder bei Blockaden in der Brustwirbelsäule und den Rippen, die die Beweglichkeit des Schultergürtels beeinträchtigen.
Die Rotatorenmanschette stabilisiert das Schultergelenk und sorgt für eine kontrollierte Bewegung. Eine Schwäche oder Dysbalance führt häufig zu einer Überlastung anderer Muskeln wie dem Bizeps und kann Schmerzen verursachen.
Wenige, einfache und gut erklärte Übungen erhöhen die Compliance. Erklären Sie die Bedeutung der Übungen für den Behandlungserfolg und holen Sie regelmäßig Feedback ein, um die Übungen anzupassen.
Ja, die Circumduction-Übung ist eine sehr vielseitige Übung, die Mobilität und Muskelaktivierung fördert und bei den meisten Schulterbeschwerden eingesetzt werden kann, wobei die Intensität und Bewegungsumfang individuell angepasst werden sollte.
Sie kommen mit den Übungen allein nicht weiter? |
Dann buchen Sie einen Termin in unserer Praxis oder zur online Beratung und wir helfen Ihnen persönlich! Wir akzeptieren private und gesetzliche Krankenkassen oder behandeln auch im Direktzugang, dank der Heilpraktiker Zulassung. |
Buchen Sie ein Termin jetzt! |